Eine rund 30köpfige Sonderkommission ermittelt nach Medienberichten wegen eines angeblichen Überfalls auf Fürther Fanbusse mit einem Sachschaden von ca. 30.000 Euro mit Hochdruck, berichten die lokalen Zeitungen. Hunderte von Zeugen würden befragt. Im Ermittlungseifer werden sogar Zeugen in fragwürdigen Aktionen am Arbeitsplatz aufgesucht, um Aussagen zu erlangen. Doch wenn Fußballfans Opfer von Kapitalverbrechen (versuchter Totschlag) werden, zeigt die Justiz ein erschreckendes Bild: Beweismittel gehen verloren, Fahndungen werden vernachlässigt. Doch eines funktioniert reibungslos: die illegale Datenweitergabe an die Presse.

Der Fall unseres Mitglieds André offenbart mittlerweile ein Versagen der Polizei und Justiz, das kaum zu fassen ist. Zur Erinnerung: André wurde am 19.11.2011 auf der Heimreise von einem Bundesligaspiel am Kölner Hauptbahnhof von einem unbekannten Täter vor einen einfahrenden Zug gestoßen. In einer Notoperation wurde ihm ein Arm amputiert. Nur durch viel Glück überlebte er den feigen Angriff. Die Bundespolizei gab - entsprechende Protokolle liegen seinem RSH-Anwalt mittlerweile vor - den Fall bereits wenige Minuten nach dem Vorfall an die Kölner Mordkommission weiter.

Ein versuchtes Tötungsdelikt, ermittelt von einer Mordkommission. Da herrscht Nachdruck, Unerschrockenheit, Professionalität. Möchte man denken. Wegen Sachbeschädigungen wird eine 30 Mann starke Sonderkommissionen bei der Kriminalpolizei eingerichtet, 150 Einsatzkräfte, Diensthunde, sogar Hubschrauber bietet die Polizei auf. Im Fall André dagegen verlaufen die Ermittlungen im Sande. Vom ersten Moment an - Pleiten und Pannen: Die Kleidung des Geschädigten, an dem sich DNA-Spuren des Täters befinden hätten können, wurde nicht gesichert, sondern vom Krankenhaus vernichtet. Obwohl die Mordkommission zu diesem Zeitpunkt längst tätig war und die Sicherstellung veranlassen hätte müssen. Pleiten, Pannen. Pech kann man so etwas dagegen nicht nennen. Andrés Anwalt mahnte die Sicherung des Notrufs des Lokführers an, auch dieser findet sich nicht in der Akte, obwohl er den Tatablauf schilderte. Und, was kaum zu glauben ist, auch die maßgeblichen Aufnahmen der Videoüberwachung vom Hauptbahnhof in Köln wurden nicht rechtzeitig angefordert. Mittlerweile sind sie gelöscht.

Statt dessen waren Kölner Polizeibeamte sofort zur Stelle, um - wie auch die Staatsanwaltschaft Köln einräumt - illegal Daten an die Presse weiterzugeben. Dies führte, wie wir mehrfach berichteten, zu einer Verleumdungskampagne gegen André. Das Ermittlungsverfahren gegen die in Frage kommenden Beamten wurde wiederholt von der Kölner Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Kriminalpolizei Köln, die quasi in eigener Sache ermittelt, konnte keinen Täter der Datenweitergabe überführen. Nach mehrfacher Intervention des zuständigen RSH-Anwalts hat sich zwar durch Nachermittlungen der Kreis der verdächtigen Beamten auf einige wenige Personen reduziert. Kein einziger Beamter wurde jedoch bisher mit dem Tatvorwurf konfrontiert. Eine aktuelle Beschwerde gegen die letzte Einstellungsverfügung läuft noch.

Obwohl Zeugen konkrete Schilderungen einer Person lieferten, die Andrés Angreifer am Bahnsteig gesehen und erkannt haben musste, wurde monatelang nicht versucht, diesen Zeugen ausfindig zu machen. Und das trotz ganz konkreter Ermittlungsansätze, wie der Zeuge zu finden ist. Erst durch eine Akteneinsicht wurde dies Andrés Anwalt bekannt und er monierte dies sofort bei der Staatsanwaltschaft.

Ein weiterer Nürnberger Zeuge, der das Tatgeschehen unmittelbar beobachtet hatte, erstellte mit Hilfe der Nürnberger Kriminalpolizei sogar ein konkretes Phantombild vom Täter. Dieses befindet sich seit Monaten in der Ermittlungsakte. Mittlerweile soll es den sogenannten szenekundigen Beamten in Köln und Mainz übermittelt worden sein, teilte die Staatsanwaltschaft mit, denn zum Zeitpunkt des Angriffs sollen Kölner und Mainzer Fans ebenfalls am Bahnhof gewesen sein. Eine Öffentlichkeitsfahndung mit dem Phantombild erfolgte dagegen nicht. Womit die Kölner Ermittler wohl dem einseitigen Ansatz folgen, der Angriff müsse von einem Fußballanhänger ausgegangen sein. Wofür es keine gesicherten Anhaltspunkt gibt. Die so oft gehörte Polizeifloskel: "Wir ermitteln in alle Richtungen" - sie gilt offenbar nicht, wenn Fußballfans zu Opfern werden.

In Köln passiert allenfalls dann etwas, wenn Andrés Anwalt interveniert. Und selbst dann nur äußerst schleppend oder unzureichend. Es ist nicht nachzuvollziehen, nach einem Angriff auf einem allgemein zugänglichen Bahnsteig ein Phantombild nur szenekundigen Beamten zur Verfügung zu stellen. Längst hätte das Bild öffentlich gemacht werden müssen. Mehr Leidenschaft zeigte allerdings die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). Sie nahm sich mit ihrem Jahresbericht 2011/12 des Falles an und diffamierte André trotz besseren Wissens deutschlandweit erneut als "Gewalttäter". Die Behörde war sich nicht zu schade, sich bei dieser ehrenrührigen Behauptung später auf das Bürgergrundrecht der Meinungsfreiheit zu berufen. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth kritisierte der Richter die ZIS-Darstellung zwar deutlich. Auch die Nürnberger Presse schloss sich dieser Kritik mit scharfen, erfreulichen Worten an. Doch im Ergebnis meinte das Gericht, es sei nicht zuständig, und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht Düsseldorf. In Düsseldorf ist die Akte jedoch auch nach drei Monaten noch nicht eingegangen, wie Andrés Anwalt jetzt erfuhr.

Als ob das nicht alles schon unfassbar genug wäre, lehnte jetzt auch noch Andrés Krankenkasse, die AOK, die Übernahme von Reparaturkosten für den Prothesenarm ab. Er kann diesen deshalb derzeit nicht nutzen und muss ohne ihn auskommen. Er müsse die Haftung für den dort eingetretenen Defekt, so die erstaunliche Rechtsauffassung der AOK, selbst gegen den Hersteller durchsetzen - auf dem Zivilrechtsweg. Wohlgemerkt, eine solche Klage müsste er selbst finanzieren und für Gutachter und Gericht einige tausend Euro vorschießen, bis irgendwann nach Jahren ein rechtskräftiges Urteil ergeht. Dabei handelt es sich bei einer Prothese um ein medizinisches Hilfsmittel, auf das - ebenso wie auf die Reparatur - ein Krankenversicherter einen gesetzlichen Anspruch gegen seine Kasse hat. So gibt es nun wieder ein Gerichtsverfahren. Diesmal in den nächsten Tagen beim Sozialgericht Nürnberg im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Immerhin: Der Verhandlungstermin wurde rasch bestimmt.

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