Das Relegationsspiel in Düsseldorf beherrscht alle Nachrichten. Keine Fernseh- oder Radiostation, keine Zeitung und kein Internetportal kommt im Moment aus ohne "Berichte" über angeblich so skandalträchtige oder gar kriminelle Aktionen von Fußballfans in Deutschland. 


Es melden sich selbsternannte Experten zu Wort: der Innenminister Friedrich und seine Politikverbündeten, Sportmagazins-Chefredakteure und andere Journalisten, Polizeibeamte und -gewerkschaftler, DFB-Funktionäre und und und. Die Liste ist ebenso unendlich wie das Bemühen, verbal immer noch eins drauf zu legen: "Gewalt, Randale, Chaoten, Verbrecher, Hooligans, Ende des deutschen Fußballs". Dabei herrscht offenbar die Auffassung: Je mehr Horrorszenarien man an die Wand malt, desto leichter wird man in den Medien zitiert. Die Forderungen dagegen sind immer wieder dieselben: Raus aus den Stadien mit den angeblichen Übeltätern, weg vom Fußball, härtere Strafen, mehr Polizei, Gefängnis!

Die Strategie ist ebenso einfach wie erfolgreich: Ängste und Vorbehalte schüren, das kommt beim unkundigen Publikum an. Statt dessen wäre es angebracht, der Doppelmoral auf den Grund zu gehen: Wenn es den Verbänden und Medien ins Konzept passt, wird mit Pyrotechnik im Fußball ordentlich Kasse gemacht. Ausgerechnet die ARD-Sportschau warb oder wirbt immer noch mit Plakaten für ihre Sendung, in deren Hintergrund Fankurven abgebildet sind, in denen Rauch und Bengalische Lichter zu sehen sind. Zu Beginn der Saison 2011/12 hat die RSH bei der ARD nachgefragt. Die Antwort: keine! Auch auf wiederholtes Nachfragen nicht (vgl: ARD-Sportschau Werbung in der BILD-Zeitung, 03. August).

              

Auch die Brauerei "Bitburger" findet Rauch in Zusammenhang mit Fußball offenbar gar nicht  schlecht (http://www.youtube.com/watch?v=CxQDEtUZh0Y&feature=related),

während "Rexona" mehr auf Bengalos steht (http://www.youtube.com/watch?v=9s3GGk5WbUg) und gerne mal dem Polizeihund die gelbe  Karte zeigt!

Erstaunlich auch, dass es offenbar einen Unterschied macht, wer gerade feiert (Beispiele: BENGALOS AUF DEN RINGEN - Endlich mal ’ne Meisterfeier in Köln oder Spontanfeier nach Fußballendspiel in der türkischen Fußballliga verlief friedlich).

Wenn einerseits von Randalen und Katastrophen geschrieben wird, andererseits Begeisterungsaktionen auch von der Polizei gefeiert werden, zeigt dies eine offenkundige Doppelmoral.

Zumal die Behauptung von immer mehr Randalen und Straftaten nicht den Tatsachen entspricht. Die Zahl der Besucher von Fußballspielen hat sich in den letzten zehn Jahren um ca. 50 Prozent erhöht. Die Zahl der Straftaten keineswegs nur annähernd in dieser Höhe. Und das, obwohl heute aufgrund massiver Polizeipräsenz und Videoüberwachung auch noch das kleinste Delikt sofort zur Anzeige gebracht wird. Es werden prozentual daher vermutlich weniger Straftaten begangen als in der Vergangenheit. Die Statistik belegt das Gegenteil von dem, was in den Medien berichtet wird: Während im Jahr 2000 von der Polizei 2558 Fans in der sog. Kategorie "C" eingeordnet wurden, waren es im Jahre 2010 2.295. Und das, obwohl 6 Millionen Menschen mehr ins Stadion gehen. Jeder etwas betagtere Fußballfan kennt auch noch die Fernsehreportagen in den 1980/90er Jahren, als in Italien, Spanien usw. vom obligatorischen Einnebeln der Mannschaften beim Einlauf gesprochen wurde und welch tolle Stimmung, untermalt mit Feuerwerk, das Stadion zum "Hexenkessel" macht.

Es gab sehr wohl auch in der Vergangenheit schon kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik ohne Gefahren für Zuschauer (http://www.youtube.com/watch?v=ansSqPK5y9g)

- und dies wäre nach Ansicht vieler Experten auch heute möglich. Das einseitige Abbrechen der weit gediehenen Gespräche hierüber seitens des DFB und der DFL stellt ein Armutszeugnis dar. Auch dies zeigt die Widersprüchlichkeit der öffentlichen Darstellung: Während von ach so gefährlichen Fans, die sich jeglicher Kooperation verweigern würden, gesprochen wird, waren es die Verbände, die hier mit falschen Karten gespielt haben.


Fußballfans werden in diesen Tagen - wieder einmal - skandalisiert, offenbar um eigene Interessen zu verfolgen. Der Rechtsanwalt von Hertha BSC, Herr Schickhardt, schürt durch seine polemischen Ausführungen massiv die Ressentiments gegen Fußballfans. Der Anlass rechtfertigt das in keiner Weise: Wenn in Düsseldorf begeisterte Fans auf den Platz laufen, weil sie denken, dass ihr Verein gerade aufgestiegen ist, dann hat das nichts mit "Gewalt" zu tun. In der Vergangenheit war jedoch schon häufiger gerade seitens der Polizeivertreter zu lesen, dass bestimmte Fangruppen aus den Stadien verbannt werden müssten. Es wirkt so, als ob die Fernsehbilder von dem Relegationsspiel gerade recht kamen, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.

Und in Nürnberg lud der Bayerische Innenminister Herrmann Journalisten zum Pressegespräch beim Spiel gegen den HSV ins Stadion, um über neue Polizeistrategien zu berichten. Von "Deeskalation" ist da gerne die Rede. Gleichzeitig gab es Knüppel und Pfefferspray von Polizeibeamten (vgl. Polizeieinsatz nach dem Heimspiel gegen den HSV am 21.04.12) vor dem Stadion.

All das zeigt: über Doppelmoral gäbe es derzeit mehr zu berichten als über den angeblichen Untergang des deutschen Fußballs.

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