Spektakulärer Festnahme vor dem Stadion folgt keine Strafe wegen Verstoß gegen Stadionverbot.

Kreativ sind sie, die sogenannten szenekundigen Beamten. Und eifrig! Sie übernehmen Postbotentätigkeiten und übermitteln Stadionverbote sogar im Ausland. Und sie regen Haftbefehle an. Doch gelegentlich bleibt der Erfolg, strafrechtliche Verurteilungen zu erwirken, doch aus. Denn nicht jedes Betreten eines Stadions trotz Stadionverbots ist automatisch ein Hausfriedensbruch. Die Rechtslage ist mehr als schwierig.

Der Anruf eines Nürnberger Beamten bei der Strafrichterin blieb erwartungsgemäß nicht folgenlos: Ein bereits verurteilter Glubbfan, der in Kürze eine Haftstrafe anzutreten habe, mache mittlerweile, was er wolle. So die Botschaft am Telefon. Er sei mehrfach bei FCN-Partien in Fußballstadien
gesichtet worden, trotz bundesweitem Stadionverbot. Und auch aus anderen Gründen folge, dass er sich einem Verfahren wegen Bewährungswiderrufs wohl entziehen wolle. Die Richterin fackelte nicht lange und erließ noch am selben Tage einen Sicherungshaftbefehl, den sie sogleich der Polizei übermittelte. Und die nahm ein Heimspiel des 1. FC Nürnberg zum Anlass, den Haftbefehl unmittelbar vor dem Stadion zu vollstrecken. Das RSH-Mitglied wurde spektakulär vor den Augen seiner Freunde festgenommen und in die JVA verbracht.

Neben der Vollstreckung der Haftstrafe folgte eine Anklage wegen Hausfriedensbruchs in drei Fällen. Trotz wirksamer Stadionverbote habe der Fan vier Bundesligapartien besucht. Da Werder Bremen keinen Strafantrag stellte, musste die Staatsanwaltschaft den vierten Fall einstellen.

In der Hauptverhandlung zeigten sich Staatsanwaltschaft und Gericht unerbittlich. Der RSH-Anwalt forderte eine Einstellung des Verfahrens: Neben der bestehenden Strafe, die gerade vollstreckt würde, falle das Verfahren nicht wesentlich ins Gewicht. Keine Chance, so die klare Botschaft der Anklage und der Richterin. Da der Anwalt aber die ordnungsgemäße Zustellung der Stadionverbote anzweifelte, platzte der Termin dennoch. Die Stimmung im Gerichtssaal war auf dem Nullpunkt angekommen. Das hätte man ja auch früher mitteilen können, wurde der Verteidiger attackiert.
 
Eine interessante Sichtweise der Dinge! Ist es doch Aufgabe der Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob eine Straftat vorliegt. Ein Hausfriedensbruch wegen Verstoßes gegen ein Stadionverbot verlangt, dass
dieses wirksam ausgesprochen wurde. Und tatsächlich: Nach dem Einwand des Anwalts sah sich die Staatsanwaltschaft veranlasst, Nachermittlungen vorzunehmen. Wie denn die Stadionverbote überhaupt zugestellt wurden? Die Stadionverbotsrichtlinien sehen vor, dass der aussprechende Verein dieses aktenkundig dem Betroffenen zuzustellen hat. Doch genau das war nicht der Fall. Denn nicht etwa der Verein hatte das fragliche Stadionverbot zugestellt, sondern die Polizei.
 
Bei einem Vorbereitungsspiel in St. Gallen hätten die szenekundigen Beamten das Verbot übermitteln wollen, hieß es dann. Doch das RSH-Mitglied habe das Schreiben dort nicht entgegen genommen. Daraufhin wurden in Nürnberg andere Beamte tätig und nahmen eine sogenannte "Ersatzzustellung" vor. Durch Einlegung in den Briefkasten. Dies sei nach der Zivilprozessordnung auch zulässig, notierten die Beamten und beriefen sich auf profunde Rechtskunde. Die Staatsanwaltschaft war der Meinung, das alles sei ohnehin egal. Denn wer weiß, dass ein Stadionverbot existent sei, der müsse sich auch daran halten - ein Verstoß sei somit ein Hausfriedensbruch.
 
Nun, so einfach könnte es sein. Doch ist es das tatsächlich? Darf die Polizei überhaupt Stadionverbote zustellen? Handelt es sich bei einem Stadionverbot doch um eine zivilrechtliche Willenserklärung eines Vereins. Eine rein private Angelegenheit. Die Zustellung nach der Zivilprozessordnung
nimmt entweder die Post vor oder ein Gerichtsvollzieher. Aber ist es auch Aufgabe der Polizei? Und für eine Auslandszustellung gibt es ganz spezielle Vorschriften. Teilweise muss sogar das Konsulat eingeschaltet werden. Dass SKBs nach St. Gallen reisen, um private Dokumente zu übermitteln, war nach Auffassung des RSH-Anwalts keinesfalls rechtmäßig.
 
Bevor der nächste Hauptverhandlungstermin stattfinden sollte, um nun eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs herbeizuführen, schrieb der RSH-Anwalt eine dreiseitige Stellungnahme, weshalb die Zustellung des Stadionverbots rechtswidrig war und dass daher auch kein Hausfriedensbruch vorliegen könne. Er wies darauf hin, dass die Vereine sich in ihren gegenseitigen Bevollmächtigungen an die Einhaltung der Stadionverbotsrichtlinien gebunden hätten. Wenn diese nicht eingehalten würden, sei das Stadionverbot in anderen Stadien gar nicht wirksam.
 
Als das RSH-Mitglied bereits zur Vorführung zur Hauptverhandlung von der JVA abgeholt werden sollte, ging eilig ein Fax ein. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Sache falle neben der bestehenden Strafe nicht wesentlich ins Gewicht. Ein Argument, das man am ersten Verhandlungstag schon einmal
gehört hatte.
 
Der Glubb-Fan ging straffrei aus. Die Rechtsfragen bleiben offen - und brisant. Zur Nachahmung ist das Verfahren freilich nicht empfohlen.

 

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