Ordnungsdienste in Stadien sind etwas Spezielles. Das weiß jeder, der regelmäßig auswärts fährt und sich dort der Macht der Uniformierten ausgesetzt sieht. Sicherlich: Es gibt eine Vielzahl höflicher Ordner, die ihren Job anständig ausüben. Doch zwei aktuelle Skandalfälle zeigen, dass die Vereine auch Stadionordner einsetzen, die die Sicherheit für Stadionbesucher gefährden. Und nicht nur das: Die Justiz lässt „Ordnerstraftaten“ ungesühnt.

 

Fall 1: Der lügende Kriminelle aus Augsburg

Ordner genießen bei Polizei und Gericht einen ähnlich hohen Vertrauensvorschuss wie Polizeibeamte. Ein Ordner aus Augsburg meldete sich nach dem Bundesligaspiel des FC Augsburg gegen den 1. FC Nürnberg in der vorangegangen Saison bei der Polizei: Ein Nürnberg Fan habe ihn mit beiden Händen gegen die Brust gestoßen. Dadurch sei er sieben Stufen auf dem Rücken nach unten gefallen und habe sich verletzt. Ein Vorwurf, für den man bei Gericht eine ordentliche Freiheitsstrafe kassieren kann. Wenn es schlecht läuft: ohne Bewährung.

Die Rettung für den beschuldigten Bert Katermeier (Name von der RSH geändert) war die Hightechvideoüberwachung im Augsburger Stadion: Auf der war die glatte Lüge des Ordners deutlich zu sehen. In Wahrheit stand der Ordner mit dem Rücken in Richtung Bert. Als Bert mit anderen Personen gemächlich in Richtung seines Blocks schritt und überhaupt nicht in Richtung des Ordners blickte, trudelte der Ordner plötzlich am Geländer nach unten. Zwei Hände gegen die Brust? Absicht? Die Behauptungen des Ordners erwiesen sich als unhaltbar. Das Verfahren gegen Katermeier wurde eingestellt.

Obwohl der Ordner sehr genau wusste, wie schwerwiegend sein Vorwurf war, blieb er sogar dann noch dabei, als ihm die Polizei vorhielt, dass das Videomaterial mit seiner Aussage nicht in Einklang zu bringen war.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg reagierte zunächst richtig: Sie leitete gegen den Ordner ein Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung ein. Schließlich hatte er vehement auf eine strafrechtliche Verfolgung wegen vorsätzlicher Körperverletzung gedrängt.

Umso erstaunlicher, dass die Staatsanwaltschaft das von ihr selbst eingeleitete Verfahren sogleich wieder einstellte. Nach § 170 Abs. 2 StPO, also mangels nachweisbarer Strafbarkeit. Hiergegen reichte Katermeier über seinen RSH-Anwalt eine Beschwerde ein.

Und dann kam es erst richtig dicke. Die Staatsanwaltschaft nahm das Verfahren wieder auf und stellte es gleichzeitig wieder ein. Diesmal allerdings nach § 154 Abs. 2 StPO: Der Ordner habe ein anderes Ermittlungsverfahren offen - und die falsche Verdächtigung falle daneben nicht besonders ins Gewicht.

Gegen den Ordner lag mittlerweile eine andere Anklageschrift vor - u.a. wegen Amtsanmaßung und Fälschung von Ausweispapieren. Und: Diese Taten habe er unter offener Bewährung in zwei Fällen begangen.

Unfassbar, welches Sicherheitspersonal hier von Vereinen eingesetzt wird. Von einem einwandfreien Leumund kann in diesem Fall keine Rede sein.

Die Einstellungspolitik der Staatsanwaltschaft ist mindestens ebenso skandalös. Während bei Fußballfans auch noch jede angebliche Beleidigung angeklagt wird, soll hier die falsche Verdächtigung nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Wohlgemerkt: Ohne Videoüberwachung hätte die Falschaussage des Ordners leicht für eine Freiheitsstrafe gereicht. Für einen „Justizirrtum“, der nie nachweisbar gewesen wäre.

 

Fall 2: Der Hooligan, der die Justiz nicht interessiert

Was hat man in den vergangenen Monaten nicht über Gewalt in den Stadien philosophiert. Alle möglichen Politiker, die vorher keiner kannte, fühlten sich berufen, ihre Meinung zum vermeintlichen Problem der Nation, den Fußballfans, kundzutun. Was allerdings geschieht, wenn Gewalt nicht aus den Reihen der Fans, sondern aus dem Lager derjenigen, die für Sicherheit und Ordnung stehen sollten, ausgeht? Das durfte ein RSH-Mitglied am eigenen Leib erfahren.

In Dortmund hatte Cäsar Altweib (Name von der RSH geändert) auf den Spielbeginn gewartet, als von zwei Ordnern ein Übergriff auf ihn stattfand. Ein Ordner mittleren Alters schlug ihm ohne Vorwarnung mit der Faust ins Gesicht. Über seinen RSH-Anwalt erstattete er Anzeige gegen die Ordner, die ihm aufgrund einer Nummer auf der Uniform bekannt waren. Die Polizei ermittelte die Ordner auch. Bizarr wurde es dann aber, als die Staatsanwaltschaft das Verfahren rasch ablegte. Mit der erstaunlichen Begründung: „Der Strafanzeige liegt eine Auseinandersetzung zwischen einem der Nürnberger Ultraszene zuzurechnenden Fußballfan und zwei Ordnern von Borussia Dortmund zugrunde. Es handelt sich um eine rein private Streitigkeit, an deren Aufklärung die Öffentlichkeit kein Interesse hat.“

Die Anzeige wurde auf den Privatklageweg verwiesen. Wie bitte???

In Zeiten, in denen es wichtiger ist, sich über angebliche Sicherheitsprobleme beim Fußball zu unterhalten als verschwundene Akten einer unfassbaren Mordserie zu thematisieren, soll eine Attacke von Ordnern im Stadion die Öffentlichkeit nicht interessieren?

Cäsar wehrte sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Staatsanwalt - dem einzig möglichen Rechtsbehelf. Doch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm stellte sich hinter ihren Staatsanwalt. Sie nahm das Verfahren nicht wieder auf, weil es sich sinngemäß um eine Bagatelle handele.

Der unbeugsame Cäsar wollte sich damit nicht zufrieden geben und erstattete Dienstaufsichtsbeschwerde auch noch gegen die Generalstaatsanwaltschaft, nun direkt zum Justizminister des Landes. Dieser kam zu dem Ergebnis, die „Einstellung des Verfahrens“ entspreche im Ergebnis der Sach- und Rechtslage.

So die Sicht des Justizministeriums ausgerechnet jenes Bundeslandes, in dem der Innenminister sich durch besonderes Engagement in der Fußballsicherheitsdebatte auszeichnet. Böse Zungen behaupten, der Bekanntheitsgrad dieses Innenministers wäre ohne dieses Hervortun nahe Null angesiedelt.

In Dortmund begründen also Streitigkeiten körperlicher Natur zwischen einem Ordner und einem Fan kein öffentliches Interesse? Zumindest wenn sie von einem Ordner ausgehen, muss man wohl folgern. Wir warnen ausdrücklich davor, die Gegenprobe durchzuführen. Irgendein Instinkt sagt uns, dass die Meinung der Justiz dann abweichend ausfallen könnte!  

 

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