Im Juni 2019 überklebte Karsten Müller (Name von der RSH geändert) am Nürnberger Handwerkerhof gegen 20 Uhr drei angebrachte Aufkleber an den dort aufgestellten Fahnenmasten von Vereinen, die dem lokalen Fußballverein 1. FC Nürnberg nicht angehörten.

Karsten Müller war zuvor ins Visier einer zivilen Einsatzgruppe geraten, da er ein T-Shirt mit dem Aufdruck 1312 trug – so konnten die Beamten auch die Tat im Zusammenhang mit den Aufklebern beobachten.

Die zivilen Beamten observierten den Täter mindestens eine Stunde bis zum Eintreffen der von Ihnen verständigten uniformierten Streife. So konnte der Täter zwischen 21 Uhr und 21:26 Uhr einer Personenkontrolle durch zwei Beamte unterzogen werden. Nach Entlassung des Täters, wurden die drei angebrachten Aufkleber von den Beamten fotografiert.

Einer der uniformierten Beamten hielt daraufhin eine telefonische Rücksprache mit einem Kriminalhauptkommissar (KHK) vom Kriminalfachdezernat über das weitere Vorgehen. Dieser KHK fragte dann bei der der Staatsanwaltschaft (StA) nach, was zu beachten sei. Die StA teilte mit, dass eine Sachbeschädigung nur vorliege, falls die Aufkleber nicht ablösbar seien.

So fuhr der uniformierte Beamte nochmals an den Tatort, versuchte die Aufkleber abzuziehen, stellte aber fest, dass die Aufkleber beim Ablösen einrissen und somit für Ihn nicht ablösbar waren. Dokumentiert wurde die Aktion mit der Anfertigung von Fotografien.

Nach Rücksprache mit dem Liegenschaftsamt, teilte jenes der Polizei mit, dass kein Strafantrag gestellt werde, da die Reinigung der Fahnenmasten ca. 100 EUR kosten würde. Da jedoch mehrere Aufkleber die Masten bereits zierten, wäre ein „Herausrechnen“ der Kosten für die drei Aufkleber zu aufwendig.

So wurden die polizeilichen Ermittlungen am 21.11.2019 abgeschlossen und an die StA übergeben und beinhalteten:

Eine Sachbeschädigung wegen drei Aufklebern, 

eine Ordnungswidrigkeit (OWi) wegen fehlenden Impressums im Sinne des Pressegesetzes,

eine weitere OWi wegen des Tragens des T-Shirts mit der Aufschrift 1312.

 

Nicht verschweigen wollen wir, dass der Polizeibeamte die OWi-Anzeigen mit der Bitte (!!) versehen hat, die „OWis“ mit Bußgeldern in Höhe von 50 EUR und 400 EUR zu bemessen.

Da es sich bei Sachbeschädigung um ein Antragsdelikt handelt, die betroffene Behörde jedoch keinen Strafantrag stellte, wurde sogar das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die StA bejaht.

Zudem sei der Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß §303 Abs. 1 StGB erfüllt. Im Gesetz steht hier: Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der beantragte Strafbefehl mit einer Strafe von 30 Tagessätzen á 40 EUR, also 1.200 EUR, wurde von der zuständigen Richterin am Amtsgericht Nürnberg nicht unterzeichnet – wohl weil wie weiter oben im Bericht bereits erwähnt, hier nur eine Sachbeschädigung vorliegt, falls sich die Aufkleber nicht oder jedenfalls nur schwer ablösen ließen.

So musste der zuständige StA seinen Fehler korrigieren und den Strafbefehl auf den Abs. 2 des §303 StGB umschreiben, da hier steht: Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.

Dieser Abs. 2 ist vom Gesetzgeber mit Blick auf Graffitis eingeführt worden, fand aber in unserem Falle auch Anwendung. Auch dieser Strafbefehl wurde von der Richterin nicht unterzeichnet, sie lud stattdessen zu einer Gerichtsverhandlung.

Geladen waren neben dem Beschuldigten auch der eifrige ermittelnde Polizeibeamte, sowie der zuständige Herr vom Liegenschaftsamt, der sich am Tag der Verhandlung am Morgen den Tatort nochmal angeschaut hat. 

Die Staatsanwaltschaft konnte keine neuen Erkenntnisse vorbringen, der Mann vom Liegenschaftsamt betonte nochmals, dass wegen solch einer kleinen Sache kein Aufwand betrieben wird und auf den Polizeizeugen konnten dann alle Beteiligten verzichten, nachdem die Einstellung des Verfahrens gegen Erbringung von 25 Sozialstunden unter den Beteiligten festgelegt wurde.

 

Welch ein Aufwand von der Nürnberger Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht wegen drei Aufklebern betrieben wird, stellen wir hier nochmal dar:

01.) Observierung durch zwei zivile Polizeibeamte, mind. eine Stunde

02.) Personenkontrolle, Anfertigung Bilder durch zwei uniformierte Beamte, mind. 45 Minuten

03.) Sicherung Videoaufnahmen digitale Forensik

04.) Interne Rücksprache der Polizei mit Kriminalfachdezernat

05.) Rücksprache Kriminalfachdezernat mit StA

06.) Nochmalige Anfahrt Tatort, Versuch Aufkleber zu entfernen, Anfertigung Bilder

07.) Berichte, Vermerke von mind. vier Polizeibeamten

08.) Erstellung Strafbefehl durch StA, Ablehnung durch Gericht

09.) Erstellung zweiter Strafbefehl

10.) Gerichtsverhandlung mit Zeugen

 

Man kann hier vorsichtig von uns geschätzt von einem Zeitaufwand in Höhe von 60 Stunden ausgehen – für drei Aufkleber!!

Die beiden OWi-Anzeigen wurden übrigens im Vorfeld bereits gemäß §154a Abs. 1 StPO eingestellt.

 

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